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Dinslaken streitet über die Beschwerde von Yasimin Zorlu bei der Anti-Diskriminierungsstelle des Bundes über das Dinslakener Bündnis. Leute, reißt euch zusammen! Ein Kommentar.

Was ist geschehen?

Yasimin Zorlu, eine der tragenden Säulen der Erdbebenhilfe in Lohberg, hat sich bei der Anti-Diskriminierungsstelle des Bundes über das Dinslakener Bündnis beschwert. Auslöser waren Telefonate mit Horst Miltenberger, stellvertretender Bürgermeister und CDU-Stadtverordneter.

Miltenberger lehnte dabei für das Bündnis angeblich die Unterstützung einer weiteren, stadtweit angelegten Spendenaktion ab. Begründung: Eine zu große Nähe zur DITIB, dem Verband der türkischen Moscheegemeinden in Deutschland, der enge Bindungen zur türkischen Religionsbehörde pflegt.

Zorlu fühlte sich vor den Kopf gestoßen. Denn es sei noch völlig offen gewesen, über welche Konten und Organisationen die Spenden laufen sollten. Sich und ihr Anliegen sah sie pauschal als erdogantreu abgestempelt. In einem Schreiben an Bürgermeisterin Eislöffel und die Beigeordnete Tagrid Youssef machte sie ihrem Ärger Luft – und reichte Beschwerde bei der Bundesstelle ein.

Die Reaktionen

Die Vorwürfe von Yasimin Zorlu wiegen schwer. Die AWG, bei den ersten Spendensammlungen in Lohberg ebenfalls sehr aktiv,  stellte sich umgehend an ihre Seite. Eine derartige Diskriminierung sei nicht hinnehmbar. Die Kritik an Horst Miltenberger: deutlich. Die AWG wirft ihm pauschale Verurteilung vor. Die DITIB in Dinslaken sei ein zuverlässiger Ansprechpartner.

Am Mittwoch, zwei Tage nach Bekanntwerden der Vorwürfe, gab auch das Dinslakener Bündnis eine Stellungnahme heraus. Darin heißt es, man habe sich nach der Anfrage von Yasimin Zorlu erst ein Bild machen wollen,  wie mit den Spenden weiter umgegangen werden solle und welche weiteren Organisationen daran beteiligt seien. Das Bündnis selbst sei lediglich ein lockerer Zusammenschluss engagierter Bürgerinnen und Bürger, eine solche Aktion übersteige die Kapazitäten.

Weiter heißt es: „Die Anklage von Frau Zorlu irritiert uns sehr.“ Bei einem so schwer wiegenden Vorwurf habe sich die Frage nach einer möglichen Zusammenarbeit wohl erledigt. Und abschließend: „Eine Meldung des Dinslakener Bündnis an die Antidiskriminierungsstelle macht das Miteinander schwierig, wir halten den Vorwurf auch für inhaltlich falsch. Wir weisen die Anschuldigungen der AWG auf das Deutlichste zurück.“ Die Stellungnahme findet ihr als PDF zum Nachlesen ganz unten.

Vermeidbarer Ärger

Und jetzt? Sind die Dinge erstmal vor die Wand gefahren. Das ist unfassbar ärgerlich. Vor allem, weil dabei das Wichtigste unter die Räder kommt: Hilfe für die Menschen im Erdbebengebiet, die dort nach wie vor dringend benötigt wird. Es ist todtraurig, dass jetzt Zeit und Energie fürs Streiten verloren geht. Helfen wäre eine sinnvollere Sache.  

Unfassbar ärgerlich ist dieser Konflikt aber auch, weil eine solche Eskalation nach allem, was bisher bekannt ist, vermeidbar gewesen wäre.

Aus drei Gründen.

  1. Auslöser des Streits waren Telefonate. Niemand war dabei, niemand weiß was gesagt wurde. Aussage gegen Aussage. Dass jetzt Parteien und Bündnisse Presse-Statements dazu abgeben, ist absurd. Warum bisher niemand auf die Idee gekommen ist, die beiden an einen Tisch zu bitten und für Aufklärung zu sorgen, bleibt unerklärlich.
  2. Bei einer solchen Aussprache würde vermutlich schnell deutlich werden, dass in der Sache konsequent aneinander vorbeigesprochen wird. „Das Bündnis hat ein Problem damit, dass die DITIB daran teilnehmen wird“, soll Horst Miltenberger im Telefonat gesagt haben. Ob damit die in Dinslaken fest verankerte Lohberger Moschee-Gemeinde gemeint war oder die DITIB als verlängerter Arm des türkischen Staates, bleibt offen. Das macht einen Unterschied.
  3. Ebenso ungeklärt bleibt, über welche Kanäle die Spenden überhaupt weiterverteilt werden sollen. Völlig klar: Alle, die spenden, legen Wert darauf, dass die Spende vor Ort ankommt. Und wollen deswegen mit einer Organisation zusammenarbeiten, der sie vertrauen. Auch eine Vielzahl von Partnern sollte doch in der Lage sein, eine solche Organisation zu finden. Die Frage wurde aber nie weiterverfolgt, weil es schnell wichtiger war zu klären, wer mit wem zusammenarbeiten darf und wer nicht.

Setzt euch zusammen!

Die Bilanz: Ein Bild des Elends. Anstatt an einem stadtweiten Zusammenschluss von Parteien, Religionsgemeinschaften und Vereinen zu arbeiten, vergraben sich die Beteiligten im Schützengraben. 

Appell an alle: Setzt euch zusammen, schaut euch in die Augen und überlegt, wie ihr denen helfen könnt, die Hilfe dringend brauchen. 

Und um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Dies ist meine ganz persönliche Meinung. Philipp Stempel.

Update, 9. März: Yasimin Zorlu und Horst Miltenberger haben sich mit der Beigeordneten der Stadt Dinslaken, Dr. Tagrid Youssef, dem Integrationsbeauftragten Senol Keser und einem Vertreter der AWG zur Aussprache getroffen. Das Gespräch blieb offenbar ergebnislos. Beide Seiten vereinbarten laut NRZ Stillschweigen, um „nicht weiteres Öl ins Feuer zu gießen“.

Wenn Ihr mich fragt: Was für ein trauriges Elend!

Unabhängig davon haben Zorlu, RWS, die Moschee-Gemeinde und AWG erneut Spenden gesammelt und Mitte März 20 Paletten Hilfsgüter auf den Weg gebracht. Großartig!