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Vier Parteien haben die Bauarbeiten an der Bezirkssportanlage von der Liste mit den dringendsten Projekten für Dinslaken genommen. Nach viel Ärger und Unverständnis im Stadtteil haben wir nach den Gründen gefragt. Hier die Argumente der CDU im Original.

Man muss nicht derselben Meinung sein wie die CDU. Aber sie hat auf unsere Anfragen schnell und umfangreich geantwortet. Das verdient Respekt und Anerkennung, denn sie ist bereit, sich der Diskussion im Stadtteil zu stellen. Dafür danken wir der CDU.

Im Folgenden das Schreiben, das uns erreicht hat, im Original. Vorwarnung: Ihr braucht Zeit, müsst viel lesen und manche Begriffe sind ziemlich technisch.

Frage von Mittendrin: Warum haben Sie im Rat dafür gestimmt, die Arbeiten einzustellen?

Antwort der CDU

„Die Frage suggeriert leider schon eine falsche Annahme. Es stand nicht auf der
Tagesordnung, einen Baustopp oder ähnliches herbeizuführen. Worum ging es also
in der letzten Ratssitzung: Die Stadt Dinslaken ist derzeit nicht in der Lage, einen genehmigungsfähigen Haushalt aufstellen.

Der Kämmerer hat am 10.01.2024 einen Haushalt in den Rat eingebracht. Demnach sollte 2024 das Haushaltsdefizit der Stadt Dinslaken -37.552.000 Euro betragen. Das Defizit steigert sich jedes Jahr, bis 2027 das Haushaltsdefizit bei – 66.334.000 Euro liegt.

Das vorgesehene Defizit von über 30 Millionen Euro entspricht nicht den rechtlichen Anforderungen, da es deutlich zu hoch ist. Im nächsten Schritt musste die Verwaltung dann am 22.03.2024 Einsparmöglichkeiten präsentieren über die sogenannte Veränderungsliste (kurz: VÄL). Diese sogenannten Einsparmöglichkeiten haben das Defizit nicht signifikant geändert, siehe Tabelle.

Haushaltsplanentwurf vom 10. Januar Entwurf mit Einsparungen, 22. März
Im Jahr 2024: – 37.552.000 Euro -30.793.000 Euro
Im Jahr 2025: – 44.329.000 Euro -36.159.000 Euro
Im Jahr 2026: -58.284.000 Euro -49.187.000 Euro
Im Jahr 2027: -66.334.000 Euro -55.949.000 Euro

Das vorgesehene Defizit von über 30 Mio. Euro entspricht bei Weitem nicht den rechtlichen Anforderungen, da es deutlich zu hoch ist. Die Kommunalaufsicht, bei kreisangehörigen Städten immer der Landrat, kann diesen Haushalt also nicht genehmigen.

Bis ein genehmigungsfähiger Haushalt verabschiedet worden ist, befindet sich die Stadt Dinslaken in der sogenannten „vorläufigen Haushaltsführung“. Verkürzt gesagt bedeutet das: Die Stadt Dinslaken darf nur Auszahlungen für Dinge vornehmen, zu denen sie rechtlich verpflichtet ist, z.B.: Leistungen an Sozialverbände, Gehälter, Mieten, etc.

Unaufschiebbare Investitionen können nur dann getätigt werden, wenn der Landrat als Aufsichtsbehörde die Kreditermächtigung genehmigt.

Des Weiteren steht die Stadt Dinslaken aufgrund der Haushaltslage vor dem Aufstellen eines Haushaltssicherungskonzeptes. Das hat zur Folge, dass die Stadt Dinslaken zur Sicherung ihrer dauerhaften Leistungsfähigkeit ein Haushaltssicherungskonzept aufzustellen und darin den nächstmöglichen Zeitpunkt zu bestimmen, bis zu dem der Haushaltsausgleich wiederhergestellt ist. Die vorläufige Haushaltsführung und das Aufstellen eines Haushaltssicherungskonzepts hat zur Folge, dass nun der Kreis Wesel sehr eng an die Haushaltsberatungen angebunden ist. Aus diesem Grund wurde seitens der Aufsichtsbehörde verlangt, dass die Stadt Dinslaken Priorisierungslisten aufstellen soll.

Diese unterteilen sich in eine Priorisierungsliste für den konsumtiven Bereich (Vorlage 1430/2024) und eine Priorisierungsliste für den investiven Bereich (1438/2024). Des Weiteren wurde eine Dringlichkeitsliste seitens der Verwaltung erstellt.

Wichtig ist zu wissen, dass rechtlich zwischen „Pflichtaufgaben“ und „freiwilligen Aufgaben“ unterschieden werden muss. Gesetzlich verpflichtet (Pflichtaufgabe) ist die Stadt beispielsweise zur Unterhaltung und Bereitstellung von Schulen und Kindertagesstätten. Eine direkte rechtliche Verpflichtung von Bereitstellung von Bezirkssportanlagen gibt es nicht (freiwillige Aufgabe).

Seitens der Verwaltung wurde das Vorhaben auf der Bezirkssportanlage Augustastraße zuerst in Kategorie C bei „Noch nicht begonnene freiwillige Maßnahmen ohne Förderung“ eingeordnet, siehe Anlage der Vorlage Nr. 1438/2024, investiver Bereich.

Dies bedeutet, dass das Vorhaben in die letzte Stufe der Priorisierung zugeteilt worden ist.

In der gemeinsamen Sitzung des Finanz- und Hauptausschusses am 18.04.2024 hat die Verwaltung dann wenige Minuten vor Sitzungsbeginn eine Tischvorlage an die Ausschussmitglieder herausgegeben und wollte die Maßnahme plötzlich und unerwartet in Kategorie B einordnen. Die Begründung dazu fiel schmal aus.

In der Sitzung am 18.04.2024 haben SPD, CDU, UBV und FDP zusammen grundsätzlich beantragt, die Prioritäten- und Dringlichkeitsliste in die nächste Sitzungsfolge zu schieben. Bei den uns vorgelegten Listen fehlten viele Erklärung und Informationen. Sinnvoll ist es daher aus unserer Sicht, den Rat vollumfänglich zu informieren und ein Ausspielen einzelner Projekte gegeneinander zu vermeiden. Auf Druck der Fraktionen findet am 02.05.2024 eine vollumfassende Informationsveranstaltung zum Haushalt statt. Aus Sicht der CDU-Fraktion muss der Haushalt im Ganzen betrachtet werden.

In der Ratssitzung vom 23.04.2024 wurde dann seitens der Verwaltung eine Dringlichkeitsliste mit investiven Maßnahmen vorgelegt, siehe Vorlage 1431/2024, 3. Ergänzung. Die dort genannten Maßnahmen sollten laut Verwaltung dringend dem Landrat zur Genehmigung vorgelegt werden. Der Landrat entscheidet dann, ob diese Maßnahmen durchgeführt werden, nicht der Rat. Er kann diese Maßnahmen auch ablehnen. Ein Ratsbeschluss kann nur ausgeführt werden, wenn der Landrat als Aufsichtsbehörde zustimmt.

Die Liste, die die Verwaltung für dringlich erachtet:

Anlage 2 Dringlichkeitsliste B Kategorie 1
o lfd. Nr. 35 bis 38 Moltkeschule
o lfd. Nr. 39 bis 43 Modulbau Klaraschule
o lfd. Nr. 44 bis 46 Raumcontainer GGS Dorfschule
o lfd. Nr. 48 KiTa Talstraße
o lfd. Nr. 61 KiTa Edithweg
o lfd. Nr. neu BSA-Augustastraße (vormals Anlage 5 – C-Maßnahme)

Anlage 3 Dringlichkeitsliste B Kategorie 2
o lfd. Nr. 9 Zechenwerkstatt
o lfd. Nr. 21 Trabrennbahn

Die CDU hat sich mit anderen Fraktionen dazu entschieden, unter anderem die Maßnahmen auf der Bezirkssportanlage Lohberg nicht auf die Dringlichkeitsliste zu setzen.

Die Dringlichkeitsliste soll dem Landrat zeigen, welche Maßnahmen hier und heute von absoluter Wichtigkeit für die Menschen in der gesamten Stadt sind. Und das sind aus Sicht der CDU-Fraktion zuerst die Maßnahmen, die Schul- und Kindergartenplätze betrifft. Denn das sind unsere Pflichtaufgaben, die Rat und Verwaltung zu erfüllen haben. Des Weiteren ist auch die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ein absolut übergeordnetes Thema und von hoher Wichtigkeit für die Menschen in unserer Stadt. Aus diesem Grund ist die Entwicklung auf der Trabrennbahn von uns als dringlich eingestuft worden. 

Auch das Projekt der Zechenwerkstatt ist von hoher Bedeutung für den Stadtteil Lohberg und für die gesamte Stadt. Das Projekt ist von einem breiten bürgerschaftlichen Engagement getragen und das Projekt ist auf Fördergelder seitens des Landes angewiesen, die uns ansonsten verloren gehen würden. 
Fazit: Die CDU hat nicht aktiv für einen Baustopp gestimmt. Die CDU-Fraktion hat sich für die Dringlichkeit im Bereich Bildung und Wohnen entschieden, also für die Ausführung von Pflichtaufgaben. Rat und Verwaltung müssen aufgrund der Haushaltssituation lernen, zu priorisieren und dies auch richtig darzustellen.

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Warum wurden die betroffenen Vereine nicht vorab informiert und in die Diskussion mit einbezogen?

Antwort der CDU:

Wie oben bereits beschrieben waren die Sitzungsabstände sehr kurz und die CDU-Fraktion und andere Fraktionen waren sehr unzufrieden mit der Informationspolitik der Stadtverwaltung. Aus diesem Grunde gibt es ein ausführliches Informationsgespräch für den Rat am 02.05.2024. Erst wenn die CDU-Fraktion alle notwendigen Informationen hat, kann sie sich ein komplettes Meinungsbild verschaffen und in Gespräche mit den verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren einsteigen.

Beschlossen wurde bis jetzt „nur“ eine Dringlichkeitsliste. Aber Rat und Verwaltung müssen sich auch ehrlich machen an dieser Stelle: Die Stadt Dinslaken ist gesetzlich in den nächsten Jahren dazu gezwungen, drastisch zu sparen. Das bedeutet auch, dass das Sparen zu Enttäuschung und Unzufriedenheit in der Stadtgesellschaft führen wird. Jeder, der für sein Projekt und seine Anliegen brennt, hat gute Argumente, die er Rat und Verwaltung darlegen kann und die uns überzeugen. Das ist auch hier bei der Bezirkssportanlage der Fall.

Die CDU-Fraktion ist sich bewusst, dass bei den Vereinen der Schuh ziemlich drückt. Aber wir können einfach nicht alle Anliegen, Maßnahmen und Ideen finanzieren, für die Vereine, Institutionen und andere Interessenvertreter sich einsetzen. Wenn Rat und Verwaltung in Gespräche einsteigen, wird dies zwangsläufig auch dazu führen, dass diese Gespräche nicht zufriedenstellend verlaufen werden.

Fraktionen, die sich jetzt lautstark darüber echauffieren, wie diese Maßnahme nicht zur Dringlichkeit erhoben werden konnte, müssen sich fragen lassen, ob sie das Wohl der gesamten Stadtgesellschaft im Blick haben oder nur auf schnellem Stimmenfang sind. Natürlich würde auch die CDU-Fraktion zu allen Projekten und Maßnahmen sehr gerne „Ja“ sagen und den Applaus der Masse einkassieren, aber die Welt besteht halt nicht nur aus schwarz und weiß. Würden wir zu allen Maßnahmen Ja sagen, ist davon auszugehen, dass die Grundsteuer B zwangsläufig verdoppelt werden müsste. Dies würde zu einer erheblichen Mehrbelastung der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt führen. Dies will die CDU-Fraktion vermeiden.

Das Veto kam überraschend. Warum haben Sie sich dafür entschieden, bei so tiefgreifenden Entscheidungen kurzfristig Fakten zu schaffen, anstatt eine breite Debatte über Sparzwänge zu eröffnen?

Antwort der CDU:

Die CDU-Fraktion will definitiv eine breite Debatte darüber führen, wie wir den Haushaltsausgleich erreichen können. Dafür brauchen wir aber, wie oben beschrieben, alle Informationen, die dem Rat bis jetzt vorenthalten worden sind. Beispielsweise wurde der Politik bis heute keine Übersicht aller Projekte und Ausgaben im Bereich „Soziales“ (Größter Ausgabenposten im städtischen Haushalt) vorgelegt. So kann keine gesamtheitliche Betrachtung der Haushaltssituation gelingen.

Noch im März gab es im Sportausschuss einen Konsens, in enger Abstimmung mit der ProZentGmbH Einsparungen beim Bau vorzunehmen. Hätte das nicht gereicht?

Antwort der CDU:

Die Beweggründe der CDU-Fraktion sind oben ausführlich beschrieben worden 🙂

Was konkret droht in Ihren Augen, wenn an der BSA die Bauarbeiten weiterlaufen?

Antwort der CDU:

Es muss an dieser Stelle noch einmal klargestellt werden: Hätte der Rat die Maßnahme als dringlich eingestuft, hätte der Landrat als Aufsichtsbehörde entscheiden müssen, ob dies überhaupt statthaft und ausführbar ist. Darüber hinaus wollten wir die Projekte im Bereich Soziales, Wohnen und Zechenwerkstatt nicht gefährden. Wenn in Dinslaken „plötzlich alle Projekte dringend und wichtig sind“, wird der Landrat unsere Dringlichkeitseinstufung und Priorisierungen nicht mehr ernst nehmen können. 

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