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Ali Dilekci lernte als Kind heimlich Saz spielen, und Silvo Magerl erinnert sich gerne an das gegenseitige Rückenwaschen als Vertrauensbeweis: Am Abend der Vorpremiere von Adnan Köses Dokumentarfilm „Das Abkommen“ waren im Ledigenheim so einige Anekdoten zu hören, die das Publikum berührten.  

Wie Adnans Vater hat auch Alis Vater lange auf der Zeche Lohberg gearbeitet, und der frühere Steiger und Bergingenieur Silvo bekanntlich auch. Ali, der die Musik für den Film schuf, erzählte, dass er als Sechsjähriger unbedingt die Langhalslaute Saz spielen wollte wie sein Papa. Aber sein Vater sagte: “Junge, konzentrier dich auf die Schule.“ Der kleine Ali fand seinen eigenen Weg: Er beobachtete den Vater heimlich, wie dieser musizierte und Andere im Sazspielen unterrichtete. Als echtes musikalisches Talent reichte ihm das, um die Melodien dann selbst nachzuspielen – und heute ist er Meister seines Fachs. Nur nicht vorschnell aufgeben!

Sevket Köse spaziert über das Zechengelände

Silvo als Bergbauspezialist hat einige Tage mit Adnan an der Doku gearbeitet, sogar im Lehrbergwerk. „Das war mir wichtig“, betonte er am Rande der Vorpremiere. „Adnans Film soll die Tugend der Bergleute weitertragen: Unter Tage gab es keine Fremden. Wir haben uns gegenseitig ge- und beschützt und uns nach der Schicht den Rücken gewaschen.“ Da hat man nicht vorher gefragt, aus welchem Land der Kumpel stammt. War ja total egal.

Silvo Magerl (r.) mit Peter Psiuk bei der Vorpremiere

Tagrid Yousef erwähnte in ihrer Ansprache, dass auch sie zur zweiten Generation der türkischen Migranten zähle. Und nun stehe sie hier als städtische Beigeordnete, und Adnan sei ein anerkannter Künstler. Auch mehrere alte Bergmänner berichten in „Das Abkommen“ stolz, welche Karrieren ihre Kinder und Enkel in Deutschland hingelegt haben – und dass sie selbst als Rentner immer noch hier sind, obwohl sie doch als junge Männer nur für kurze Zeit zum Geld verdienen in die Fremde kommen wollten. Leider nimmt außer Adnans Vater nur ein weiterer Protagonist an der Vorpremiere teil, weil die anderen derzeit in der Türkei sind.

Übrigens konnten sich die jungen Türken damals nicht aussuchen, wo sie in Deutschland leben und arbeiten werden. Zunächst hatten sie in der Türkei eine ausführliche Gesundheitsprüfung zu absolvieren, bei der so gar nichts verborgen blieb. Nur gesunde, kräftige Männer durften „Gastarbeiter“ werden. Nach der langen Anreise nach Deutschland wurden die Auserwählten an einem zentralen Ort auf die Zechen verteilt und weiter ging die Fahrt ins Ungewisse, bis sie schließlich in Lohberg ankamen.

Adnans Arbeitskollegen berichten, wie es ihnen in Lohberg erging

Die ehemaligen „Kumpel“ schwärmen davon, dass zu ihrer aktiven Zeit auf der Zeche Lohberg so viel Leben im Stadtteil war. „Alle waren auf der Straße und der Marktplatz war immer voll.“ Das habe sich leider geändert. Sie sind froh, dass sie die Ditib Moschee als Treffpunkt haben, in dem ihnen auch bei Problemen immer geholfen werde.

Ganz zauberhaft wird es, als die Zuschauer der Stimme der verstorbenen Wilhelmine Köse lauschen können. In einer Filmszene hört man sie das alte Liebeslied von sich und ihrem Mann Sevket mit klarer Stimme singen. Und sie erzählt offen und fröhlich, dass Sevket ihr gleich beim ersten Treffen während des Tanzens seine Liebe gestand. Was wiederum Eyüp Yildiz in Erstaunen versetzt: „Da denkt man, früher ging alles langsamer.“ Aber der forsche Sevket habe blitzschnell seine Ehefrau von sich überzeugt. Zum Glück, sonst gäbe es weder Adnan Günter Köse noch diesen Dokumentarfilm!   

Sevket Köse schaut am Kiosk vorbei (Fotos: Gudrun Heyder)

Der Abend im Saal des Ledigenheims zeigt auf und vor der Leinwand eindrucksvoll, wie wichtig es ist, an die Geschichte der Bergarbeiter zu erinnern. Und ihnen Respekt vor ihrer Lebensleistung zu zollen. „Im Herzen bin ich 35“, strahlt Sevket Köse, der inzwischen sehr schlecht sehen kann. Man könne im Leben viel erreichen, wenn man es wolle, betont der lebhafte und humorvolle alte Mann – und tanzt.