Der Umgang mit dem Denkmalschutz in Lohberg ist umstritten. „Wir sollen leben wie in einem Museum“, sagen die einen. „Wir müssen den Zauber der Gartenstadt bewahren“, die anderen. Ein Streitgespräch.
Ein Abend in Lohberg. Julia und Muzaffer sitzen sich gegenüber. Sie haben sich auf Einladung von Mittendrin zum Streitgespräch über den Denkmalschutz in Lohberg verabredet.
Hier soll es nicht um Ärger und Anfeindungen gehen. Sondern Respekt und Argumente. Vorab schon mal unser Kommentar dazu: Großartige Sache, wir feiern euch dafür!
Im Streitgespräch:
Muzaffer ist seit mehr als zwei Jahren im Arbeitskreis Denkmalschutz aktiv, einem Bündnis von rund 40 betroffenen Hausbesitzern. Muzo soll Änderungen an seinem Haus zurückbauen. Für ihn ein Schaden von mehreren tausend Euro. Er wünscht sich, dass die Stadt darauf verzichtet und die Regeln des Denkmalschutzes den Bedürfnissen der Menschen anpasst.
Julia macht mit bei Mittendrin und engagiert sich in der Kommunalpolitik bei der Partei Die PARTEI. Sie findet die Gartenstadt zum Verlieben schön und möchte ihren Charakter bewahren, glaubt aber dass es dafür klare Regeln braucht. Wenn jeder frei sein Haus aus- und umbauen würde, würde das Einzigartige des Stadtteils verloren gehen, fürchtet sie.
Wir haben zugehört und die kniffeligsten Punkte aufgeschrieben.
20 Jahre untätig
Muzo: Es ist schon über ein ganzes Jahr her, dass wir als Arbeitskreis einen Antrag bei der Stadt eingereicht haben, die Regeln für den Denkmalschutz anzupassen. Vieles können die Menschen hier nicht nachvollziehen. Aus meiner Sicht zum Beispiel die Treppen, die eine Betonoptik behalten sollen oder die Auflage, dass die Häuser nur teure Eingangstüren aus Holz haben dürfen. Unser Antrag ist bisher unbeantwortet. Und gleichzeitig laufen die Verfahren, einige Strafen wurden schon unter Vorbehalt bezahlt.
Julia: Ich dürfte mich hier mit unserem Haus gar nicht beschweren. Seine Farbe hat nicht den Ton, den die Denkmalschutzsatzung vorschreibt. Das geht zurück aufs Jahr 2000. Die Häuser, die nicht mehr dem Denkmalschutz entsprachen, wurden unter Bestandsschutz gestellt. Wir mussten also nicht neu streichen. Es hieß nur: Ab jetzt, im Jahr 2000, müssen die Regeln des Denkmalschutzes konsequent angewandt werden. Das heißt für uns: Die jetzige Farbe darf bleiben, aber beim nächsten Anstrich muss ich zurück zu den Vorgaben aus der Satzung.
Was mich ärgert, ist das Verhalten der Stadt. 20 Jahre lang waren Verstöße gegen den Denkmalschutz so ziemlich egal, seit anderthalb Jahren wird aber mit der großen Keule draufgehauen.
Muzo: Danke
Den Charakter bewahren
Julia: Im Kern ist es richtig, dass es Regeln für den Denkmalschutz gibt. Damit die Zechensiedlung, der Zauber der Gartenstadt, erhalten bleibt. Und seien wir ehrlich: Es hat sich schon total viel verändert. Ich fänd’s unfassbar schade, wenn man den Charakter noch weiter verändert.
Muzo: Es muss doch möglich sein, dass auch die Menschen in Lohberg von neuen Technologien wie Wärmepumpen oder Solaranlagen profitieren können. Die Bundesregierung will das deutschlandweit fördern, da kann es doch nicht sein, dass uns das in Lohberg verboten wird. Ausgerechnet jetzt, wo die Lebenshaltungskosten extrem gestiegen sind, kommt die Stadt auf die Idee uns zu belangen, nachdem sie vorher 20 Jahre lang untätig geblieben ist.
Julia: Aber möchtet ihr die Regeln für die Denkmalschutzsatzung nicht komplett abschaffen!?
Muzo: Nein. Im Arbeitskreis Denkmalschutz haben wir Konsens, dass wir den Charakter der Gartenstadt ebenfalls erhalten wollen.
Wie sinnvoll sind die Auflagen?
Julia: Aber wenn ich doch weiß, dass ich in einen 110 Jahre alten Stadtteil ziehe und dass ich ein Haus immer nur mit der Auflage Denkmalschutz kaufen kann, dann muss ich mich doch mit den Regeln arrangieren.
Muzo: Wir wollen die Regeln ändern und gleichzeitig dem Denkmalschutz gerecht werden. Mich stört auch, dass jemand von außen mir vorschreibt, wie ich zu leben habe. Wie wir unsere Gärten zu gestalten haben oder ob wir einen Sichtschutz aufstellen für unsere Privatsphäre. Das kann hier keiner verstehen.
Man muss auch mal fragen: Wenn wir die Regeln anpassen. Wem schadet das?
Julia: Na, dem Ursprungsbild von Lohberg.
Die richtige Farbe
Muzo: Aber dieses Ursprungsbild gibt es doch schon längst nicht mehr. Manche Regeln finde ich einfach willkürlich. Zum Beispiel die Farbe. Ursprünglich waren die Häuser einfach nur verputzt, die vermeintliche Farbe entspricht nicht dem ursprünglichen Zustand. Diese Farbe stammt vom Pütt, wurde mir erzählt..
Julia: Das stimmt nicht, das weiß ich zufällig. Ich war mal zu Besuch bei der Denkmalschutzbehörde, da wurde auf ein Gutachten aus dem Jahr 1976 verwiesen und das wies jedem Haus eine bestimmte RAL-Farbe zu.
Muzo: Ja und? Das wird doch niemals die Ursprungsfarbe gewesen sein. Warum erklären wir eine zufällige Bestandsaufnahme aus den 70ern jetzt zum Standard für den Denkmalschutz? Was hat das mit der Historie zu tun? Ganz ähnlich ist das bei den Innenhöfen. Der Denkmalschutz orientiert sich an uralten Darstellungen. Ich bin hier aufgewachsen. Die Innenhöfe haben während meines ganzen Lebens nie so ausgesehen, wie es der Denkmalschutz verlangt. Wie im Museum.
Mich stört auch, dass Regeln ohne umfassende Beteiligung der Bürger erlassen wurden. Ich sehe da eine Bringschuld bei der Stadt. Welche Stadt kann daran interessiert sein, die eigene Bevölkerung aus dem Stadtteil zu vertreiben?
Die Sache mit den Gastarbeitern
Muzo: Es gab außerdem beim Kauf der Häuser sprachliche Probleme. Viele Familien wussten nicht, was sie da im Detail unterschreiben. Dass sie jetzt noch dafür bestraft werden, finde ich ungerecht. Unsere Väter sind als Gastarbeiter gekommen und haben zum Wohlstand des Landes und der Stadt beigetragen, wurden aber nie gehört. Jetzt ist dies unsere Heimat, wir sind hier aufgewachsen und wollen uns hier ein Leben aufbauen. Aber die Häuser sind klein. Anbauten müssen sein, wenn eine Familie wächst oder man sich zum Beispiel um die Älteren kümmern muss. Wir haben hier viel in unsere Zukunft investiert.
Julia: Moment, das geht mir zu schnell. Erstmal wird bei jedem Kaufvertrag ein Notar beteiligt gewesen sein, der den Vertrag auch vorliest. Außerdem war die Denkmalschutzsatzung immer ein Thema, über das wir hier im Stadtteil diskutiert haben. Seit 47 Jahren wohne ich in Lohberg und seitdem begleitet mich das. Das muss doch auch euch bekannt gewesen sein.
Muzo: Es geht hier um ganz einfache Leute. Die haben zugegriffen, weil die Häuser für einen günstigen Preis zu bekommen waren. Aber ohne zu wissen, was zum Beispiel Bergschadenverzicht im Ernstfall bedeutet. Und jetzt haben sie in Erhalt und Sanierung der Immobilien viel Geld investiert.
Geltendes Recht
Julia: Aber damit hat doch die Stadt nichts zu tun.
Muzo: Die Stadt hat die Sache 20 Jahre lang schleifen lassen. Die Leute haben dann gelernt: Beim Nachbarn gab es keine Probleme, weder mit der PV-Anlage noch dem Anbau, dann kann ich das auch so machen. Jetzt heißt es: Alles war illegal. Und ich sage: Jetzt kann die Stadt zeigen, dass die Menschen mit Migrationshintergrund eben doch dazugehören und man Regeln anpasst. Das wäre ein Zeichen der Anerkennung. Warum können wir nicht wieder einen Strich ziehen und einen Bestandsschutz vereinbaren?
Julia: Ich glaube nicht, dass das möglich ist. Soweit keine Klage erhoben wurde, sind die Bescheide rechtskräftig und davon kommt die Stadt nicht mehr herunter. Wenn ich das als Juristin so sagen darf. Sie ist ein Organ der Rechtspflege und muss das Recht umsetzen. Erst recht, wenn die Sache so im Zentrum des Interesses steht.
„Zweierlei Maß“
Muzo: Ich finde, dass die Menschen nicht ausreichend informiert wurden. Sie haben sich darauf verlassen, dass sie genauso renovieren und ausbauen können, wie das zum Beispiel beim Ledigenheim oder dem Don-Bosco-Haus gemacht wurde. Da wird mit zweierlei Maß gemessen, finde ich.
Julia: Sehe ich gar nicht. Ich habe lange ein Büro im Ledigenheim gehabt und haarklein mitbekommen, dass jede kleinste Änderung beantragt und dann auch genehmigt worden ist. Du kannst doch nicht daraus ableiten, dass du im privaten Haus jetzt automatisch all das so machen kannst wie im Ledigenheim.
Muzo: Also beim Gartenzaun haben wir uns an der Grundschule orientiert. Die Schule war unser Vorbild. Warum sollten wir das nicht auch dürfen? Es ist doch nicht zu viel verlangt, dass mir nicht jeder in den Garten schauen kann wie auf den Präsentierteller.
Frustration auf beiden Seiten
Muzo: Ich bin auch frustriert, weil ich seit zweieinhalb Jahren versuche, in der Sache etwas zu bewegen, aber nichts passiert. Die Stadtverwaltung verweist auf den Landschaftsverband Rheinland und den Rat der Stadt, also die Politik. Von den Parteien kommt bis auf die AWG und UBV kaum etwas zurück. Die zucken mit den Schultern, obwohl wir als Bürger der Stadt ein wichtiges Anliegen haben, Verfahren gegen uns laufen und hohe Beträge im Spiel sind. Wo ist denn da die Demokratie?
Julia: Ich sehe ja die Ungerechtigkeiten und dass der Denkmalschutz in Lohberg viel zu lange nicht gelebt worden ist. Faktisch ist er nicht umsetzbar. Es macht mich zutiefst traurig, dass Lohberg sein Gesicht verliert. Es ist schon längst passiert, in den Innenhöfen oder auch bei vielen Fassaden.
Wie es jetzt weitergeht
Mittendrin wird die Stadt Dinslaken um ein Update bitten, wie mit dem Antrag des Arbeitskreis’ Lohberg weiter verfahren wird. Inwieweit die betroffenen Lohberger sich auch juristisch zur Wehr setzen wollen, ist noch offen.