Leises Gemurmel in der Zechenwerkstatt in Lohberg. Ruhrtriennale. An Bierzeltgarnituren sitzen die Zuschauer und warten auf den Beginn der Welcoming Party des Theatre Rites. „Willkommen“ hängt in großen Lettern über den Tischen. Wir werden freundlich von verschiedenen Menschen begrüßt – gleich stellt sich raus, dass sie die Mitglieder des Ensembles sind.
Alle stellen sich kurz vor und erklären ihre Mission – sie wollen Flüchtlinge willkommen heißen, auf alle Eventualitäten vorbereitet. Und dann kommt – niemand. Dann kommt eine weitere Helferin, die erst für einen Flüchtling gehalten wird – sie tanzt ihre Willkommensbotschaft.
Eine scheppernde Durchsage schallt durch den Raum – eine nicht registrierte Person befinde sich unkontrolliert auf dem Gelände. Die Helfer gehen auf die Suche und mit ihnen das gesamte Publikum – durch das ganze Gebäude, draußen durch den Regen und wieder in der Halle. Dort finden sie Muhammed. Er sitzt versteckt in einer Kiste. Seine Abwehrhaltung wird durch die warme Begrüßung schnell gebrochen. Wie ist er an diesen Ort gekommen? Er erzählt, spielt, tanzt die Geschichte seiner Flucht aus Syrien – die Gewissheit, dass der Schauspieler tatsächlich seine eigene, selbst erlebte Geschichte erzählt, lässt einen atemlos, bestürzt, angefasst und überwältigt zurück.
Alles ist tatsächlich zu spüren
Schon der Abschied von seiner Mutter, dargestellt mit einer lebensgroßen Handpuppe gibt einen tiefen Eindruck davon, was er alles hinter sich gelassen hat.
Die Schilderungen des langen Weges in LKW-Anhängern, Zügen und zu Fuß zur türkischen Grenze wird begleitet von kleinen Puppenspielbildern. Alles wirkt plötzlich so greifbar, die Angst, die Müdigkeit und die Erschöpfung ist tatsächlich zu spüren. Und dann die Flucht über das Meer. Die Enge auf dem Boot, der Kampf mit den Elementen. Hat er den über Bord gegangenen Flüchtling wirklich retten können? Man wünscht es sich…
Und dann endlich angekommen. Jetzt muss es doch besser werden. Die Lautsprecherstimme fordert ihn zur Registrierung auf. Diese Stimme wird nie sicht´bar – Verständnis? Keine Spur. Ohne Papiere? Dann keine Anhörung. Sie brauchen einen neuen Termin. Die anderen Helfer schalten sich ein. Achmed erzählt seine Geschichte – in Bildern. Die Bilder des kleinen 5jährigen Jungen, der immer wieder aus seinen gerade gefundenen Beziehungen gerissen wird – kaum auszuhalten…
Immer wieder wechselt die Stimmung
Genauso beeindruckend erzählt das Ensemble der Ruhrtriennale die Geschichte von Della aus Ghana. Sie hadert mit dem Verlust der Heimat, kann die Gründe ihrer Mutter nur schwer verstehen.
Und immer wieder bricht die Stimmung auf – ein afrikanisches Lied verbindet die Frauen aus Togo und Ghana. Kurze Fröhlichkeit. Auch bei den HipHop-Einlagen.
Und dann die erlösenden Briefe – Staatsbürgerschaft erhalten. Asylstatus erhalten. Und dann der unbekannte Syrer – da ist sie sofort: Die Blechstimme. Und weil der Flüchtling verschwindet, sind wir alle dran: Alle müssen sich registrieren lassen. In kleinen Gruppen wwerden wir von einem Flüchtlingsbegleiter durch die Stationen geleitet. Wir müssen das Anmeldeformular ausfüllen. Größe, Herkunftslan, Fungerabdrücke, Registrierungsfoto. Und ständig Zeitdruck. Kaum vorstellbar, wie man diese Situation erlebt, wenn man eine wochenlange Flucht hinter sich hat, die Sprache nicht spricht und nicht weiß und versteht, wie es weiter geht.
Das Ende fühlt sich heilsam an
Das Aufbegehren gegen die Blechstimme tut so gut – befreiend der Tanz aus den Gittern.
Und am Ende ein gemeinsamens Lied mit guten Wünschen.
Das fühlt sich heilsam an, selten hat mich eine Theateraufführung derart beeindruckt und berührt. Ich bin froh über das fröhliche Ende und frage mich gleichzeitig, wie oft dieses Ende wohl anders aussieht…
Ein Interview mit Regisseurin Sue Buckmaster findet Ihr hier –>