Tayfun liebt die Saz und ihren Klang, seitdem er neun ist. Seit 2023 bietet er regelmäßig Unterricht im Stadtteilbüro an. Ein Besuch vor Ort zeigt, wie besonders dieses Instrument ist und warum es so viele in seinen Bann zieht.

Ein fast sommerlicher Abend Ende April, in der Zechenwerkstatt wird schon der Tanz in den Mai gefeiert. Tayfun bittet vorher noch ins Stadtteilbüro zum Saz-Spielen. Diesmal sind nicht so viele gekommen wie sonst, offenbar war das Wetter zu schön für Unterricht. Dabei ist die Musik hier drinnen genauso verlockend wie der Frühling draußen.
Zur Musik gezwugen
Tayfun – 33 Jahre – liebt die Saz seit seiner Kindheit. Heute mehr denn je. „Ein Leben ohne kann ich mir gar nicht mehr vorstellen“ sagt er.
Seine Eltern wollten, dass er etwas Vernünftiges macht. „Mit Sport hatte ich nichts am Hut“ erzählt er. Und wurde dann zu einem Besuch im Musikworkshop im evangelischen Jugendheim verdonnert. Dort funkte es zwischen ihm und der Saz – dem traditionellen Langhalslauten-Instrument aus dem türkisch-arabischen Raum. Heute spielt er regelmäßig auf Festen und Hochzeiten – und gibt seine Leidenschaft weiter.
Seine Schüler? An diesem Abend eine bunte Truppe. Özgür (36) ist seit der ersten Stunde dabei, Khaled (25) seit einem Jahr. Und dann sind da noch die Geschwister Kuzey (10) und Ecem (9), die schon als Babys mit dem Klang der Saz aufgewachsen sind. „Ich kenne das seitdem ich ein kleines Kind war und fand es toll, die Saiten zu berühren und zu hören,” erzählt Kuzey. Jetzt will er es lernen.
Was dieser Satz so besonders macht, was den Schülern am meisten Stress bereitet und wann die Leute bei welchen Liedern komplett ausrasten, seht ihr hier im Video.
Was die Saz für sie alle bedeutet, ist schnell klar: Sie ist Gefühl, Familie und Gemeinschaft. „Im Osten der Türkei hängt in jedem zweiten Haushalt eine,“ erzählt Özgür. “Man spielt sie, wenn man traurig ist, wenn man feiert oder ganz einfach, wenn man mit Freunden einen schönen Abend verbringt.“ Tee, Gesang, bekannte Lieder – und mittendrin: die Saz.
Ein Notenblatt wie ein Rätsel
Dabei ist sie kein leichtes Instrument. Sie zu spielen, ist eine Kunst und um es zu lernen braucht es Durchhaltevermögen. Sieben Saiten, die in drei Gruppen aufgeteilt sind, bis zu 23 Bünde zum Greifen, mehrere Oktaven. Tayfun zeigt ein selbstgeschriebenes Notenblatt, das aussieht wie ein Rätsel. Zum Lernen gehört bei ihm fest die Theorie.

Viele Stücke, die gespielt werden, sind traditionelle Volkslieder. Einer der berühmtesten Musiker: Âşık Veysel, ein blinder Poet, der vor allem in den 60er Jahren mit seiner Musik Generationen geprägt hat. Der „Godfather of Saz“, wenn man so will. Seine Lieder handeln von Liebe, Natur, Trauer und dem einfachen Leben, aber auch von sozialer Gerechtigkeit und Menschlichkeit – immer begleitet von seiner treuen Saz. „Die schönste Brücke zwischen den Herzen ist die Musik“, soll er gesagt haben,
Tayfuns Ziel als Kind? „Ich wollte immer mal auf einer Hochzeit spielen.“ Hat er längst geschafft – und mehr. Jetzt gibt er sein Wissen weiter. Die Workshops finden in der Regel mittwochs um 18 Uhr im Stadtteilbüro statt, am besten Ihr fragt vorher an. Auch wir von Mittedrin vermitteln gerne den Kontakt. Wer neugierig ist, darf gerne reinschauen – Vorkenntnisse sind nicht nötig, aber ein bisschen Geduld vielleicht.
Und wer weiß: Vielleicht zaubert ja auch euch die Saz ein Lächeln ins Herz.
