Seit November leben die sieben jungen Leute aus Indien zwischen 18 und 20 Jahren mitten in Lohberg. Und fühlen sich pudelwohl. Nur der Supermarkt war ein Schock.
Sieben junge Frauen und Männer sind sie. Bis auf Faical aus Marokko sind sie in Indien im Bundesstaat Kerala aufgewachsen, nicht unweit vom Äquator. Kerala, das liegt auf der Höhe von Nigeria oder Venezuela, fast 8000 Kilometer Luftlinie vom Johannesplatz entfernt. Regenwald und tropisches Klima statt Dauerregen und Dunkelheit ab 17 Uhr.
Zum ersten Mal Schnee
Deutschland – das ist für sie (noch) eine ziemlich fremde Welt. „Wir haben noch nie Schnee gesehen“, erzählt Anjali. Nur im Fernsehen. Als Mitte Dezember so ein weißes Puder vom Himmel fiel, war die Aufregung riesig. Sojana sah ihn zuerst. Und schlug Alarm. Alle stürmten nach draußen vor die Tür. Fühlen, schmecken und staunen. Der Versuch, einen Schneemann zu bauen, scheiterte, weil nur ein paar Flocken gefallen waren. Aber es reichte dafür, den Mitbewohnern etwas herrlich Kaltes in den Nacken zu stopfen. Zum Vergleich: In ihrer Heimat wird es nicht kälter als 20 Grad.
Den weiten Weg ins kalte Lohberg haben sie auf sich genommen, um eine Ausbildung zu machen. In Deutschland werden Pflegefachkräfte händeringend gesucht. Auch von Yasimin Zorlu, die in Dinslaken den Pflegedienst Kultura betreibt. Über eine Agentur wurde sie in Indien fündig. Nach einem kurzen Kennenlernen per Zoom war klar: Das passt. Zumal die Azubis alle schon einen Sprachkurs Deutsch absolviert hatten. Auch Faical aus Marokko, der sich initiativ beworben hatte. Und ebenso Teil der WG ist. Inzwischen spricht er nicht nur Deutsch, Französisch und Arabisch, sondern auch ein bisschen Indisch.
Deutschland hat einen guten Ruf
Mitte Dezember dürfen wir der WG einen Besuch abstatten. Und spüren bei der Unterhaltung im Wohnzimmer: Da haben sich ein paar gesucht und gefunden. Die Stimmung ist freundlich, aufgeschlossen, alle sind interessiert am Austausch. Dazu gibt es feinen indischen Tee und sogar Kuchen. Respekt spielt eine wichtige Rolle. Setzen wollen sich die Gastgeber erst, wenn ihr Gast Platz genommen hat.
Natürlich haben sich alle Gedanken gemacht, ob sie nach Deutschland kommen wollen, so weit weg von Freunden und Familie. Aber die Bedingungen waren attraktiv. Die Ausbildung hat in Indien einen exzellenten Ruf, Deutschland als sicheres Land ebenso.
Klischees mit Ausnahmen
Gefragt nach ihren Erwartungen von den Deutschen, bestätigen die sieben die üblichen Klischees. Im Vorfeld haben sie gehört, dass Ordnung, Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit typisch sind für dieses Land. Nicht lange und sie lernten die anderen Seiten von Deutschland kennen: Für den Weg zur Schule sind sie angewiesen auf die Deutsche Bahn. „Die kommt gar nicht oder zu spät“, lässt Sojana uns wissen und lacht.
Immerhin, es gibt Hoffnung auf Entspannung: In Kürze soll es Gespräche geben, ob sie die Schule wechseln können und die Pflegeschule in Lohberg besuchen. Das wäre ein großer Gewinn für die sieben.
Die Neugier auf Deutschland ist groß: Sie wollen alles sehen. „Mit dem Deutschlandticket waren wir schon in Düsseldorf, Köln und anderen großen Städten in Nordrhein-Westfalen“, erzählt Faical, mit 31 Jahren der Senior der Truppe. Das soll noch längst nicht alles gewesen sein. Berlin soll dazu kommen, aber auch Amsterdam, München, die Schweiz.
Stress bei Lidl
In den wenigen Wochen in Deutschland und Lohberg kamen sie immer wieder ins Staunen, weil so einiges ganz anders ist als in Kerala. Als sie den Flughafen verließen, merkten sie: Auf der Straße gibt es kaum Motorräder. In Indien machen sie die Hälfte aus. Dann der Supermarkt. „Das Einkaufen ist stressig“ sagt Apsa. An der Kasse bei Lidl werden die Waren im Eiltempo gescannt und weitergeschoben, dass man kaum hinterherkommt. Das Bezahlen macht es nicht einfacher: In Indien machen sie das nur mit dem Handy, die Deutschen hängen doch noch sehr am Bargeld.
Das Essen ist ein Thema für sich. Die Wurst, die Alwin Paul sich am Samstag auf dem Markt gegönnt hat, war lecker. „Aber wir essen viel schärfer, in Deutschland ist alles süß“, findet Anjali. Auf die Frage, ob sie denn schon etwas typisch Deutsches richtig lecker fanden, ist die Antwort schnell gefunden: „Döner! Der schmeckt großartig.“
Ähnlichkeiten an Silvester
Zum Thema Jahreswechsel finden wir Gemeinsamkeiten. Auch in Indien gibt es zu Silvester ein Feuerwerk. Und noch etwas: „Wir verbrennen den Weihnachtsmann, den wir für das Weihnachtsfest gebaut haben“, erklärt uns die WG. Bis auf Faical sind alle Christen. Und kennen aus Indien den Glauben, dass das Feuer ein Symbol für neues Leben ist. Darum werden dort die Toten verbrannt.
Von Lohberg haben sie schon eine Menge gesehen. Anfangs waren sie viel im Bergpark spazieren, später auch auf den Feldern in Richtung Bruckhausen. Bestens bekannt ist natürlich der Johannesplatz, ihr Wohnort. Feical war schon mehrfach am Kiosk, Alwin auf dem Markt. Den Mädchen ist wichtig, dass sie sich in Lohberg sicher fühlen können. Dort wo sie aufgewachsen sind, können Frauen nachts oft nicht unbesorgt auf die Straße gehen.
Die Senioren freuen sich schon
Richtig spannend wird es für die sieben vom Johannesplatz ab dem 22. Januar. Dann beginnt die praktische Ausbildung, bisher hatten sie nur Blockunterricht in der Schule. Ab Ende Januar werden sie dann jeweils mit einem Partner aus dem Pflegeteam unterwegs sein und Seniorinnen und Senioren besuchen. „Die freuen sich und fragen schon, wann denn die neuen Azubis kommen“, erzählt Yasemin.
Wir sind ziemlich sicher: Mit den indischen Nachwuchskräfte werden sie viel Freude haben! Wir bedanken uns nochmal ganz herzlich für die Einladung und wünschen euch eine wundervolle Zeit! Solltet Ihr mal Unterstützung brauchen: In Lohberg werdet Ihr sie schnell finden!