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Der Lohn für harte Arbeit auf dem Förderturm: grandiose Ausblicke. Foto: Nils Grunewald

Stell Dir vor, Dein Arbeitsplatz liegt unter freiem Himmel in etwa 70 Meter Höhe. Es ist drei Grad kälter als am Boden und immer sehr windig. Bei überfrierender Nässe wird es glatt. Eine Heizung oder eine Toilette gibt’s hier oben nicht. Aber der Ausblick ist grandios! Wer jetzt Lust auf diesen ganz besonderen Job bekommen hat, kann sich als Schweißer:in oder Schlosser:in bewerben: Auf dem Lohberger Förderturm wären weitere schwindelfreie Spezialkräfte gerne gesehen.  

Foto: Harald Haase, RAG

„Die angenehmste Arbeit ist das hier nicht. Ich habe immer erstmal schwitzige Hände, wenn ich wieder nach oben gekommen bin“, gesteht Nils Grunewald, Schweißfachingenieur bei der Firma FAR und während der Sanierung des Förderturms Schweißaufsicht. Seine Aufgabe ist zu prüfen, ob das Team der (meistens) vier Schweißer und zwei Schlosser „sich an die Regeln hält und alles mit rechten Dingen zugeht“. Besser isses! Das Arbeiten in dieser Höhe ist nicht ganz ungefährlich.

Foto: Harald Haase

Der Tag beginnt so, dass die Männer sich in Thermounterwäsche und dicke Arbeitskleidung einpacken und am Boden Schläuche zurechtlegen und Ähnliches. Der Wasseranschluss befindet sich am Hydranten an der Straße. Dann geht es mit dem Fahrstuhl aufwärts. „Eine Treppe gibt es aus Sicherheitsgründen auch, aber damit braucht man 20 Minuten bis nach unten“, erklärt Nils Grunewald. In luftiger Höhe geht es dann zur Sache: die alte Beschichtung entfernen, Schweißen, Schlossern. Derzeit müssen die Fachkräfte wegen der hohen Windlast Verstärkungswinkel am Gerüst anbringen.

Foto: Harald Haase

„99 Prozent der Zeit arbeiten wir im zweiten Bauabschnitt im eingerüsteten Bereich ohne Sicherung“, erzählt der Ingenieur. Die oben um das Gerüst angebrachte riesige Plane hält dort den Wind ab. „Wenn wir aber außerhalb etwas montieren müssen, sind wir mit Gurten gesichert.“ Da pfeift dann auch der eisige Wind. Und der Blick reicht wieder bis ganz unten oder in die Ferne. „Man kann die Schalke Arena, den Tetraeder und den Gasometer gleichzeitig sehen“, schwärmt Nils Grunewald. „In den Morgenstunden ist es besonders schön. Wenn die Sonne über dem Horizont erscheint, sieht man die Nebelschwaden.“ Manchmal nimmt der Ingenieur sein Fernglas mit auf den Förderturm. „Diese Zeit muss man sich nehmen.“  

Foto: Harald Haase

„Unser Vorarbeiter kommt aus dem Gerüstbau“, berichtet Nils Grunewald. „Diese Höhe ist nicht für jeden etwas. Man muss absolut höhensicher sein.“ Eine kleine Anekdote: „Es gab mal einen Bewerber, der kam mit dem Auto, sah den Förderturm und ist gar nicht erst ausgestiegen, sondern direkt weitergefahren.“ Ein anderer Facharbeiter fuhr zwar mit dem Aufzug hoch, klammerte sich aber schon im Fahrstuhl fest, verzichtete oben aufs Aussteigen und fuhr direkt wieder nach unten. Da empfiehlt sich eher ein Job im Tiefbau. Die kernigen Jungs, die jetzt auf dem Förderturm arbeiten, sind bis auf den älteren Vorarbeiter alle so um die Mitte 20.

Foto: Harald Haase

Bisher dauert eine Schicht acht Stunden – mit Mittagspause unten im Containerpark, wo es auch Duschen gibt, zum Essen und Aufwärmen. Jetzt soll aber auf zehn Stunden gesteigert werden. Eine frostige Angelegenheit: Unterkühlung droht auf etwa der halben Höhe des Kölner Doms. „Und man muss sich gut überlegen, wann man seinen Kaffee trinkt“, weiht Nils Grunewald in die Details ein. „Ein Dixiklo oben würde die Lage entspannen, aber das müsste mit einem Kran hier rauf…“. Also heißt es: Zum Pinkeln geht es mit dem Fahrstuhl.  

Naturschauspiel pur: Zum Glück sieht man hier oben, welches Wetter heranzieht. Foto: Nils Grunewald

Volle Blasen sind nicht das einzige Problem: Wenn es regnet, müssen die Schweißer und Schlosser ihre Tätigkeit abbrechen, denn dann wird es rutschig. „2021 sah ich bei einer ähnlichen Arbeit von weitem ein Gewitter heranziehen“, blickt der Schweißingenieur zurück. „Dann heißt es: sofort runter!“  Bei schlechtem Wetter dreschen die Männer auch schon mal eine Runde Karten im Container.

„Wir sind hier oben ein eingeschweißtes Team“, sagt Nils Grunewald. „Die Mentalität ist so wie früher bei den Bergleuten. Wir sind aufeinander angewiesen und müssen uns aufeinander verlassen können.“ Die Mannschaft hat noch einiges vor sich: Treppenturm und Geländer werden erneuert, und zu guten Schluss – Tusch! – dürfen endlich die bei FAR eingelagerten Seilscheiben wieder ihre alten Plätze einnehmen. Da ist dann auch für die Arbeitskräfte ein besonderer Höhepunkt. Glückauf!  

Foto: Harald Haase

Redaktioneller Hinweis: In einer früheren Version des Textes war die Höhe des Förderturms irrtümlich mit 74 Metern angegeben. Wir haben die Angabe korrigiert. Alle verfügbaren Quellen sprechen für 70,5 Meter.