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Theater pur, klassisch, ohne ablenkendes Drumherum. Die Premiere von Adnan G. Köses Theaterstück war eine beachtliche Leistung von Schauspieler*innen und Regisseur. Statt des geplanten Bühnendramas 100 Jahre nach den März-Unruhen 1920 gab es nun, bedingt durch die Corona-Pandemie, ein Jahr später die gestreamte „Hybrid-Premiere“ mit live gespielten Szenen sowie Filmszenen. Köse, Co-Autor Hans Feldhoff und das Ensemble haben lange an dieser Produktion gearbeitet. Viele Menschen aus Lohberg wollten als Komparsen mitspielen, aber Corona kam dazwischen. Regisseur und Ensemble haben eine schlüssige, überzeugende Lösung für das historische Stück gefunden. 

Die Bühne der Kathrin-Türks-Halle ist und bleibt leer, als einziges Requisit dient das große Kreuz, vor dem Lohbergs katholischer Pfarrer Albert Nienhaus (Dieter Landuris) Zwiesprache mit Jesus hält. So dringend braucht seine Gemeinde eine eigene Schule für ihre Kinder, wie sie die evangelischen Lohberger schon haben – aber die Schulbehörde sagt nein. Der Geistliche will unbedingt helfen, ihn trifft die harte Kritik seiner Gemeindemitglieder, hier in Gestalt von Maryja (Silke Natho), und die offene Ablehnung des Anführers der Lohberger Bergarbeiter, Roman (Anis Jusovic). Der „Pfaffe“ solle sich endlich für die von den „Kapitalistenschweinen“ ausgebeuteten Kumpel einsetzen, verlangt Roman rüde. 

hervorragende Darsteller

Die hervorragenden Darsteller stehen symbolisch für alle die zerrissenen Menschen während und nach dem Ersten Weltkrieg: Mutter Maryia zerbricht am Tod ihres erst 18-jährigen Sohnes Victor (Orlando Lenzen) in der Schlacht von Verdun. Victor ist in den Krieg gezogen, weil er als Malocher auf der Zeche keine Perspektive für sich sieht und der strenge Vater Artur (Christoph Bernhard) ihm verbietet, in die SPD einzutreten. Sein großes Vorbild ist sein Onkel Roman, der jedoch nach einer Gewalttat ins Gefängnis muss. Der kaisertreue Artur verzweifelt immer mehr daran, wie er als Reviersteiger seine müden, hungrigen Leute zu der vom Bergwerksdirektor Heinrich Sebold (Adnan G. Köse) geforderten Leistung antreiben soll.  

Es sind harte, bedrückende Zeiten und die Konflikte spitzen sich zu. Die sinnlose Grausamkeit des Krieges führt der junge Soldat (grandios: Ali Murtaza) vor Augen, der traumatisiert aus Verdun zurückkehrt und die Gräuel und Victors Tod schildert. Die eingespielten Filmszenen bestärken das beklemmende Gefühl – auch die, die in der Zechenwerkstatt und damit an einem Originalschauplatz dargestellt werden. Roman entführt den Bergwerksdirektor, beide bleiben unerbittlich bis zum Schluss in ihren Positionen versteinert.

Sehr beeindruckend gelingt die Verbindung der live gespielten Szenen auf der Bühne und der Szenen auf der Leinwand in der Darstellung der über ihr Leid wahnsinnig gewordenen Maryja. Sie sieht ihren Sohn Victor und im Schmerz über seinen Tod bringt sie ihr Neugeborenes und auch sich selbst um. Zurück bleibt der verzweifelte Artur. Und in Lohberg kommt es an Palmsonntag zu einem schlimmen Übergriff – Roman stürmt den Gottesdienst von Pfarrer Nienhaus, er bedroht und demütigt die Gemeinde.

Botschaft für mehr Menschlichkeit

Darauf folgt ein krasser Sprung und ein Zusammenschnitt der Erinnerungen der Gemeindemitglieder 40 Jahre später. Das Stück endet, wie es begonnen hat – bei Pfarrer Nienhaus, der sich an seine Gemeinde wendet, mit der damals und gerade heute immer noch so aktuellen Botschaft: Hasst einander nicht! Lasst Liebe, Barmherzigkeit und Menschlichkeit walten, damit wir in Frieden zusammenleben können.

Adnan Köses Ziel ist es, mit seinem Theaterstück den fast vergessenen Kampf der Arbeiter zu würdigen und zu einem menschlicheren Umgang miteinander aufzurufen. 101 Jahre nach dem Bürgerkrieg im Ruhrgebiet ist dieser Appell unverändert wichtig – angesichts von „Querdenkern“, Rechtsradikalen und -populisten, Rassisten und auch machtbesessenen Politikern, die sich um den besten Posten kloppen. Applaus für „Roter März“!

Infos zu „Roter März“ gibt es hier: https://www.roter-maerz.de und auf Facebook:  https://www.facebook.com/rotermaerz/, @rotermaerz #ruhrgebietsdrama

Im Herbst soll es weitere Vorstellungen in der Kathrin-Türks-Halle geben. Dringende Empfehlung!