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In einem Wohnhaus eröffnete die Bücherstube am 02. Juni 1980. Mit ihrem deutsch-türkischen Medienbestand wurde die Stadtteilbibliothek zum überregionalen Vorbild. Der Umzug in das Ledigenheim 2007 erwies sich als Glücksfall.

In dieses Reihenhasu zog die Bücherstube vor 41 Jahren ein. (Fotos: Stadt Dinslaken)

„In die Bruchbude ist Atmosphäre eingekehrt“, schrieb die Ortspresse 1980. Ein kleines Reihenhaus als Bücherei? Was nicht passt, wird passend gemacht, dachte sich Edith Mendel, die junge Leiterin der Stadtteilbibliothek.

Damals Berufsanfängerin, leistete sie mit dem Aufbau der Bücherstube eine Pioniertat. „Im März 1979 beschloss der Stadtrat einstimmig, in Lohberg eine Zweigstelle der Stadtbücherei aufzumachen“, erinnert sie sich. „Damals gab es weder Kultur noch eine Begegnungsstätte im Stadtteil. Bücherstube sollte sie heißen, weil man mit ‚Stube‘ ein gemütliches Wohnzimmer assoziiert.“

Edith Mendels Arbeitsauftrag hieß „Machen Sie mal!“ Also probierte sie alles Mögliche aus. Ihren Plan, eine Mini-Universalbibliothek vorzuhalten, gab sie auf. „In Lohberg waren Bücher über Philosophie und Kultur nicht sehr gefragt.“ Eher Lektüre zu Haus, Ernährung und Garten.

„Medien in türkischer Sprache hatten 1980 nur Großstädte wie Duisburg oder Köln“, erklärt Edith Mendel. Sie wollte unbedingt, dass die türkische Community Bücher in ihrer Muttersprache lesen konnte. Eine türkischstämmige Bibliotheksassistentin wurde ausgebildet, die bis heute zum Team gehört.

Die Forderung, die türkische Community solle auch zuhause Deutsch sprechen, damit die Kinder das von klein auf lernen, nennt Edith Mendel kurzerhand „Stammtisch“. Dass die Kinder beide Sprachen beherrschen, ist ihr sehr wichtig. „Unser Hauptanliegen ist die Sprach- und Leseförderung.“ Dafür steht eine große Auswahl an didaktischem Material und Sprachspielen bereit.     

Der Andrang war in der Bücherstube von Anfang an groß und die Atmosphäre familiär. „Die Kinder kamen oft direkt vom Spielplatz“, erzählt Edith Mendel. Bis heute ist die Bücherstube ein wichtiger Ort für sie. „Oft sitzen sie vor der Tür und warten, bis wir aufmachen.“

Auch für Ältere ist die Bücherei ein beliebter Treffpunkt. „Die Kolleginnen arbeiten seit Jahrzehnten hier, kennen die Menschen mit Namen und ihre Vorlieben.“ Ob es die „Brigitte“ ist oder ein neuer Thriller, oft liegt er schon bereit.

Wie die Lohberger*innen ticken, schildert Edith Mendel anhand eines unvergesslichen Erlebnisses: Sie lud mal den bekannten Duisburger Schriftsteller Fakir Baykurt zu einer Lesung ein und hängte Plakate aus. Aber die Leute glaubten nicht daran. „So ein berühmter Mann kommt nicht nach Lohberg!“ sagte ein Junge. Als Fakir Baykurt dann da war, hörten ihm nur drei Kinder zu. Wie peinlich. „Dann rannte ein Junge raus und hat wohl überall Häusern geklingelt. Kurz darauf platzte die Bücherstube aus allen Nähten, die Menschen saßen auf den Tischen und auf dem Boden.“ Bis heute verbreitet die Bücherstube Neuigkeiten lieber mündlich als mit Flyern und Ähnlichem. Das funktioniert in Lohberg einfach besser.