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Edith Mendel hat die Bücherstube in Lohberg als junge Bibliothekarin aufgebaut. „Das ist mein Kind“, meint sie liebevoll. Nun geht die Leiterin der Dinslakener Stadtbibliothek nach 41 Jahren in den Ruhestand, mit „einem lachenden und einem weinenden Auge“. Für die Erfolgsgeschichte der Stadtteilbücherei hat Edith Mendel die Grundlagen gelegt.

Edith Mendel (Fotos: Stadt Dinslaken)

Am 25. Juni, ihrem letzten Arbeitstag, lädt sie alle ihre 35 Kolleg:innen zum Frühstück ein. Und dann ist das Privatleben dran, mit Zeit für die Familie und einen großen Bücherstapel, außerdem will sie Gitarre spielen lernen.

Auf Wünsche der Besucher:innen eingehen

„Der Abschied fühlt sich komisch an“, erzählt Edith Mendel. „Ich habe zwei Seelen in meiner Brust.“ 41 Jahre bei der Stadtbibliothek, damit ließen sich Romane füllen. „Meine Nachfolgerin steht fest und ich weiß die Bibliothek in guten Händen.“ In Lohberg arbeite ein tolles, ideenreiches Team, das immer auf die Wünsche der Kinder und Erwachsenen einzugehen weiß.

In ihren ersten 14 Jahren war die Bibliothekarin sehr oft in der Bücherstube, als sie stellvertretende Leiterin und dann Leiterin der gesamten Stadtbibliothek wurde, seltener. Aber sie fühlt sich ihrem „Kind“ nach wie vor eng verbunden.

Teil des Lohberger Bildungsnetzwerks

„Lohberg ist gesetzt“, ist Edith Mendel überzeugt. Gelegentliche Überlegungen, die Stadtteilbücherei zu schließen, seien wohl vom Tisch. Das ist bei den klammen Kommunen heute nicht selbstverständlich. (Etwa in Mülheim an der Ruhr wollte die Stadt alle Zweigstellen schließen.) Aber alle wüssten, wie wichtig die Bücherstube als Teil des Lohberger Bildungsnetzwerks sei. Lohberg ist überschaubar, das Büchereiteam weiß zum Beispiel, was die Kinder gerade in der Grundschule lernen, und kennt alle Besucher:innen der Bücherstube persönlich.

„Als ich vor 41 Jahren angefangen habe, war das ein unbekanntes Experimentierfeld“, blickt die Bibliothekarin zurück. „Wir haben viel ausprobiert, manches verworfen, was erfolgreich war, haben wir beibehalten und uns immer weiterentwickelt. Die Lohberger nehmen zum Glück kein Blatt vor den Mund und haben mir mit Rat und Tat geholfen, dafür danke ich ihnen sehr! Ich habe hier fantastische Menschen kennengelernt.“

Zweite Generation leiht Medien aus

Mittlerweile leiht schon die zweite Generation Medien in der Bücherstube aus. „Die Verbundenheit zur Bücherei ist in Lohberg höher als in der Zentrale, und wir haben auch viele Leser aus Bruckhausen, Hünxe und Hiesfeld. Wer zum ersten Mal zu uns ins Ledigenheim kommt, staunt oft ‚Das hätte ich nicht erwartet‘ und kommt wieder“, freut sich Edith Mendel. Viel Platz zum Lesen und Spielen, getrennte Bereiche für Kinder und Erwachsene, das habe sich bewährt.  

Normalität nach Corona

„Die Coronazeit war sehr anstrengend“, gesteht Edith Mendel. Sie bedauert, dass die Bücherstube ihr Angebot so zurückfahren musste und hofft auf baldige Normalität mit Veranstaltungen und allem, was dazu gehört. Während der Schließung hat das Team viel neu strukturiert. „Wir sind gut auf die komplette Öffnung vorbereitet.“

Zur Person: Edith Mendel

Edith Mendel hat Bücher schon immer geliebt. Als Siebenjährige las die Weselerin den dicken Wälzer „Vom Winde verweht“ und wollte daraufhin Bibliothekarin werden.

„Mein Lesehunger war nicht zu stillen“, erinnert sich Edith Mendel. „Als Kind betrat ich erstmals eine Bücherei und dachte: Das ist mein zweites Zuhause.“ In Köln absolvierte die Bücherbegeisterte das Studium zur Diplom-Bibliothekarin.1977 kam sie als Krankheitsvertretung in die Stadtbibliothek Dinslaken und blieb, 2005 übernahm sie die Leitung.

Als am 2. Juni 1980 die Bücherstube Lohberg aufmachte, leistete die junge Chefin Edith Mendel Pionierarbeit. „Die Bücherstube war in den ersten Jahren Versuch und Irrtum“, blickt die Bibliothekarin zurück. Sie lernte nebenher drei Semester lang Türkisch in der Volkshochschule, denn ihr war klar, dass die Bücherstube als erste multikulturelle Begegnungsstätte im Stadtteil zweisprachig sein müsse.

Die persönliche Atmosphäre des „sozialen Wohnzimmers“ Bücherstube hat sie immer sehr gemocht. „Ich habe meine Berufswahl keinen Tag lang bereut“, betont die 65-Jährige.

Als Rentnerin wird Edith Mendel weiterhin mit Leidenschaft lesen, am liebsten dicke Familienromane wie Thomas Manns „Buddenbrooks“. Und Bücher über Expeditionen zum Nord- und Südpol. Auch ihren Urlaub verbringt sie gerne hoch im Norden. Grönland, Island, Spitzbergen… Ihre weiteren Hobbys sind ihre Enkelsöhne, Musikhören und Nähen.