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Der NRZ-Bericht über das Fest des Türkisch-Islamischen Kulturvereins hat den Stadtteil mächtig aufgewühlt. Unsere Gastautorin Katharina Jäckel entwickelt dazu einige ganz persönliche Gedanken – und stellt unbequeme Fragen.

Ein Gastbeitrag von Katharina Jäckel

Ein paar Tage sind jetzt ins Land gegangen und ich merke, wie meine Gedanken sich doch immer wieder um diesen einen Moment auf dem Vereinsfest in meinem Stadtteil drehen.

Ein Fest, ausgerichtet vom Türkisch-Islamischen Kulturverein.

Aber von Beginn an.

Ich bin sogenannte „Biodeutsche“ – sprich, Deutsch ohne Migrationshintergrund, und Christin (zumindest auf dem Papier). Ich lebe in Lohberg, ich arbeite da sogar, mein Chef ist Deutschtürke und Moslem. Ich gehe gerne hier durch das Viertel, grüße und werde gegrüßt.

„Bunte Gesellschaft“

Kurz gefasst: Ich fühle mich hier wohl und ich glaube auch, dass Lohberg eine Gemeinschaft ist mit Zusammenhalt – egal zwischen welcher Religion oder Herkunft. Umso mehr hab ich mich gefreut, als ich aktiv von muslimischen Bekannten zum Fest eingeladen wurde.

Und so ging ich hin. Es war bunt und laut und der Geruch nach leckerem Essen lag in der Luft. Auf der Bühne war gerade nichts los, dafür davor umso mehr. Eine polnische Tanzgruppe zeigte ihr Können. Die Musik war schnell und fröhlich und mein Herz machte einen Satz vor Freude. Bin ich doch glühende Verfechterin einer „Bunten Gesellschaft“.

Der nächste Auftritt war eine Sängerin in einem roten Gewand, welches von Halbmonden und Sternen geziert war. Sprich: die Türkische Flagge als Kleid.

Ein türkisches Lied und eine Geste

Zugegeben, Patriotismus ist im Allgemeinen nicht so meins. Ich finde, als Deutsche, mit der allzu gut bekannten Vergangenheit im Nacken, sollte es das auch nicht. Davon ab finde ich ohnehin, die Menschheit wäre ohne Nationen, Grenzen und den ganzen damit einhergehenden Problemen besser dran. Und als Weltreligion „Liebe“. Aber das ist nur meine Meinung und ich schweife ab.

Die Dame begann zu singen, sprach Worte in Türkisch die ich leider nicht verstand, schien aber zum Mitsingen zu animieren. Ein paar Frauen aus dem Publikum stimmten ein und ich dachte bei mir, dass es sich wahrscheinlich um ein Lied aus der türkischen Heimat handelt.

Und dann passierte es. Die Frau auf der Bühne hebt die Hand zum Gruß und formt die Finger zu einer Wolfsschnauze.

Erinnert an die Grauen Wölfe

Sofort hatte ich die dumpfe Erinnerung an den NRZ–Artikel im Kopf und der Gedanke „Graue Wölfe – Rechtsextremisten“ zog nach. Mein Blick wanderte durch das Publikum, wo sich vereinzelt  auch Hände zeigten, die diesen Gruß machten. Den einen oder anderen, der da jetzt mit dieser Gestik stand, kenne ich persönlich. Hatte schon nette Gespräche mit ihm oder ihr.

Das machte das fade Gefühl, das mich beschlich, nur noch fader.Ich muss dazu sagen, wer mich kennt, weiß, wie ich zu Rechtsextremisten stehe. So manchen, der sich vor mir als solcher outete, habe ich schon freundlich gebeten, sich sein Bier in Zukunft woanders zu kaufen. Bei mir nicht.

Einseitige Berichte

Leute, die Sachen mit fraglichen Inhalten posten, kommen seltenst ohne meine Kritik davon und so einseitige Berichterstattungen wie einst im Stern über Lohberg damals, lasse ich so nicht stehen.

Der eine oder andere erinnert sich vielleicht. (Anm. der Redaktion: Hier in der letzten gedruckten Ausgabe von Mittendrin (PDF) ist nachzulesen, wie Katharina den Bericht des Stern über Salafismus in Lohberg zerreißt.)

Rassismus, Rechtsextremismus, Rechtspopulismus, rechtes Gedankengut, Anfeindungen gegen Minderheiten, Extremismus im Allgemeinen, egal von welcher Seite, dagegen gehört aufgestanden. Und da ist es mir auch ziemlich egal, ob das heimisch „deutsch“ ist, türkisch oder amerikanisch, mit weißem Bettlaken über dem Kopf – oder sonst wo verhaftet. Ich mache den Mund auf.

Beunruhigende Funde auf Wikipedia

Und da stehe ich nun, in „meinem“ bunten Lohberg, in dem ich nie so was wie Rassismus  gegen mich als „Deutsche“ erlebt habe, noch gegen sonst wen.

Da stehe ich, konfrontiert mit dieser Geste und meinem Halbwissen aus Wikipedia – welches so gar nichts Gutes sagt. Da steht, als Christ wäre ich ein Feindbild – neben vielen anderen. Von Morden ist da die Rede, welche die Organisation begangen haben soll.

Mich schaudert, während die Frau auf der Bühne einige flammende Worte auf türkisch spricht, die ich wiederum nicht verstehe und was mir, unter dem Kontext des entstandenen Unbehagens ob dieser Geste, nur noch mulmiger werden lässt.

Fragwürdige Wolfsgeste

Ich überlege, ob das, was ich sehe und gerade erlebe, damit gleich zu setzen wäre, würde es im Ausland ein deutsches Gemeindefest geben und zwischen bunten Fahnen, Lachen und Nachbarschaft wäre der Hitlergruß präsent. Ausgehend von der Bühne. Ausgehend also vom Veranstalter.

Den Gedanken, mir noch eine türkische Pizza zu hohlen, verwerfe ich. Ich will nach Hause, ich will  ins Internet und nachlesen, wer die Wölfe sind, was es mit dieser Gestik auf sich hat.

Zugegeben, nichts was ich fand, war irgendwie beruhigend. Ob es nun Zeitungsberichte waren oder Artikel vom Verfassungsschutz. Sicherlich, meine Quellen waren alle deutscher Natur, denn türkisch kann ich nicht.

Skeptisch gegenüber Medien

Nun bin ich aber kein Mensch, der sich damit begnügt, sich ein festes Bild zu machen, auf Basis einiger Artikel. Denn spätestens bei der Berichterstattung um den Hambacher Forst war auch mir klar, dass die deutsche Presse nicht immer alle Seiten gleich beleuchtet.

Die Sache mit dem NSU und der Auftritt des Verfassungsschutzes dabei, lässt mich auch nicht alles glauben, was aus dieser Quelle kommt.

Stellungnahme der Veranstalter

Dialog muss also her. Und während ich hier schreibe, erreicht mich die Nachricht, dass der Kulturverein auf Facebook Stellung zu dem NRZ-Artikel bezogen hat.

Diesen nun gelesen habend, freut es mich, dass der Verein sich deutlich distanziert von den Vorwürfen, die die NRZ erhebt. Und es freut mich, dass er es genau so sieht wie ich, dass man miteinander reden muss, statt übereinander.

Immer noch beunruhigt

Denn ich bin auch nach dieser Stellungnahme immer noch beunruhigt und verwundert darüber, wie es sein kann, dass auf einer Feier von einem Veranstalter, der sich von rechtsextremistischen Verbindungen distanziert, der vermeintliche Gruß der Rechtsextremisten zelebriert wird.

Aus diesen Gründen bin ich an Lohberg mittendrin herangetreten, mit der Bitte, den vom Kulturverein angebotenen Dialog aufzugreifen.

Aufklärung fällig

Es ist einfach wichtig, dass man Dinge beleuchtet, die einen mit einem unguten Gefühl zurücklassen, ohne dabei in Terrorismushetze und Angstgeschrei zu verfallen.

Aufklärung und Austausch müssen her. Vor allem vor dem Hintergrund, dass es weltweit mittlerweile einfach zu viele Leute gibt, die Ängste, Zweifel und Halbwissen für populistische Hetze benutzen.


Anmerkung der Redaktion:

Den Anstoß von Katharina haben wir gerne aufgenommen. Wenn wir in Lohberg wirklich zusammenstehen wollen, muss es auch möglich sein, kritische Fragen zu diskutieren. Voraussetzung für ein gutes Miteinander ist Vertrauen. Das lässt sich nur schaffen, wenn wir miteinander reden.

Gespräch und Austausch wollen wir daher im Rahmen unserer Möglichkeiten fördern. Eine erste Möglichkeit dazu bietet sich direkt am Sonntag, beim Tag der offenen Gesellschaft an der Blauen Bude. Wer den Dialog sucht so wie Katharina, ist hier gerne gesehen. Kontakt zum Kulturverein haben wir bereits aufgenommen.

Wichtig ist uns zudem ein Angebot an alle hier in Lohberg: Wer Katharina auf ihre Fragen Antworten geben und sich in die Debatte einbringen möchte, ist eingeladen, etwas für Mittendrin zu schreiben. Genau dafür ist diese Plattform doch gedacht! Wendet euch bei Interesse einfach an info@lohberg-mittendrin.de.

Der Text in türkischer Übersetzung: Kültür Ocağı: Konuşmalıyız